Der Weg der Erkenntnis – Part VIII

08. Dezember 2020

Ich öffne meine Augen und verstehe nicht wirklich, was all diese Menschen in meinem Schlafzimmer machen. Ich frage mich, ob ich im Swingerclub bin und werde kurz richtig sauer, weil es unerhört ist, dass mir jemand Kopfschmerzen gevögelt haben muss. Schlimme Kopfschmerzen. Es macht Spaß, gedanklich so zu tun, als wisse ich absolut gar nicht, was in den letzten paar Minuten hier passiert ist.

Nun könnte ich das „Wer seid ihr alle und was macht ihr hier Spiel“ aufrechterhalten, aber ich bin so fucking realistisch, dass ich euch nicht anlügen kann und diese Maskerade mir gar nicht steht. Was tut also Frau von Welt?

Richtig, sie hält das Spiel aufrecht.

Ich schaue also erst mal ratlos in die ganzen Size zero Augen die über mir sind und mich mit viel Empathie und Mitleid anschauen. Außer Fee, ich würde sagen, ich erkenne, dass wir keine Freundinnen werden können. Geschenkt. Nach der Pulle Beton hat se es eh verkackt.

Ich ignoriere die Fee.

Obwohl ich völlig klar im Kopf bin, bis auf die Kopfschmerzen, lasse ich mir von den Jungs aufhelfen und sie begleiten mich zur Umkleide, wo ich erst mal einen Schluck Wasser trinken soll. Vielleicht stimmt ja was mit meinen Elektrolyten nicht, sagen sie.

Aha …

Mit denen ist bestimmt alles okay, denke ich, im Gegensatz zu meinem Kaloryten des Tages, die sind unterpräsent, sag ich jetzt aber nicht laut, schließlich habe ich eine Laufband-Sturz-Amnesie dritten Grades.

Und als mich diese netten jungen Männer so freundlich begleiten, wie wir damals als Grundschüler die alten Leute über die Straße, erhasche ich einen Blick in einen der vielen Narzisstenspiegel, die hier überall aufgestellt und aufgehangen sind, damit man den hart antrainierten Körper auch ausgiebig feiern kann. Zuerst gehe ich weiter, aber der Eindruck von vor zwei Sekunden kommt schlagartig in meinem Brain an.

Moooment, denke ich und schaue mich panisch um, da ich den Augenblick von eben noch einmal für mich und meine Erkenntnisse brauche. Die beiden jungen Männer bleiben stehen und schauen mich irritiert an. Ich gebe ihnen zu verstehen, dass ich geheilt bin und keiner der beiden ahnt, wie tiefgreifend diese wenigen Worte sind. Ich versichere beiden ab sofort unfallfrei laufen zu können und ja, auch die Umkleide zu finden, dann lassen sie mich endlich in Ruhe.

Auf leisen Sohlen schleiche ich zurück zum Angeber Spiegel und halte inne. Klar, meine Assibuxxe ist nicht der Hit, aber ich liebe das Ding und habe schon lange akzeptiert, dass der Rest der Gesellschaft sich stellvertretend für mich fremdschämt, wenn ich die trage. Ich sehe meinen leicht unförmigen Oberkörper.

Geschenkt, geht schlechter.

Dann schaue ich in mein Gesicht, sehe dieses Grinsen auf meinen Lippen, dass ich immer dann habe, wenn ich glaube, etwas mehr vom Leben verstanden zu haben. Meine Augen glänzen golden, was sie immer tun, daran habe ich keine Aktie. Mein Pony (kein Pferd, meine Haare) hängt lässig auf meiner Schokoladenseite, wie mein Mann immer sagt. Ich drehe mich zur Seite, alle anderen denken wahrscheinlich, dass ich schaue, ob nach meinem Sturz noch alles dran ist. Fee geht hinter mir vorbei. Klar, sie hat ne tolle Figur, keine Frage …

Ich aber bin glücklich wie ich bin.

Ich brauche keine Muckibude mit Beton aus nem Plastebecher. Ich muss mich nicht doof finden, weil ich Süßigkeiten wie Brot essen kann. Größe 44 ist kein Verbrechen.

Mit diesen Erkenntnissen braucht mein Lebensfreudegenerator jetzt nur zwei Dinge:

1. Passionata Unterwäsche eine Nummer größer.

2. Reiche ich der Fee die Karte von einem der netten Typen und zahle mit Trinkgeld den Beton.

:•)

Ende.

Veröffentlicht von Vielverwinkelte

Lyrik berührt Moderne.

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