Erster Geschlechtsverkehr Ü30

Weil ich erst sehr spät meine Jungfräulichkeit verloren habe, weit jenseits der Dreißig, wurde Geschlechtsverkehr für mich zu einem völlig anderen Erlebnis, als ich es jemals erwartet hätte. Ich habe den eigenen Körper dabei zuerst als Hindernis erfahren, nicht als Spaßinstrument, obwohl ich eigentlich erwartet hätte, gerade dabei völlig darauf zentriert zu werden, aber erst mal musste ich mich vergessen, um mich auf einer völlig anderen, vagen und teilbewussten Ebene wiederzufinden. Die vollkommene Wahrnehmung meines Körpers, was ich gerade wie mache, und wo ich den anderen berühre, ob ich dabei geschickt wäre, ob es ihr gefällt, dieser gesamte innere Monolog; das alles war zuerst einfach nur ein Auslöser für zahlreiche Hemmungen. Die Selbstbeobachtung gab mir das Gefühl, als ob ich mich dabei filmen würde. Was mir das Gefühl gab, mich in mein Schneckenhaus zu verkriechen, innerlich in mir selbst verloren zu gehen, und meinen Körper nicht mehr richtig auszufüllen. Zum ersten Mal hat mir die Reflexion nicht weitergeholfen, statt dessen musste ich einfach loslassen. Nicht darüber nachdenken, ob ich gut wäre, sondern einfach das tun, worauf ich gerade Lust hatte. Sie berühren ― bis wir eine gemeinsame Gleichzeitigkeit finden, um uns dann in Bewegung gegenseitig festzuhalten, als ob man in den Wellen seinen Rhythmus finden müsste, um gleitend mit der Strömung zu schwimmen, die Bewegung ineinander aufgehen zu lassen, und zwei Linien zu einem Kreis zu biegen ― bis sie von alleine ihre neue Form halten. Eine Erfahrung absoluter Körperlichkeit hätte ich erwartet, dass ich alle meine Sinne auf Hochbetrieb fahren würde, und wir gemeinsam versuchen würden, den Strombedarf einer Kleinstadt zu erzeugen. Nicht, so wie es dann wirklich war, dass ich vieles für mir einfach ausschalten müsste, es in den Schlummermodus versetzen, weil es mir sonst nur im Weg stehen würde. Es war viel eher rudimentär als kreativ, weniger animalisch als entspannt, und dabei doch ziemlich anstrengend, gleitend mit einer tiefen inneren Ruhe, bis sich diese Gefühle hochschaukeln, und immer fordernder werden, als ob man einen sehr rohen mit einem äußerst zärtlichen Teil verlötet. Ich habe zuerst versucht die eigenen Gedanken zu ficken, mir dabei irgendetwas vorzustellen, weil ich das Übermaß Nähe etwas beängstigend fand, diese pulsierende Verbindung zwischen unseren Körpern, dieses wortwörtliche Eindringen in die tiefste aller tiefen Intimitäten, dass es etwas dauerte, bis ich merkte, dass ich dieses Gefühl ficken muss. Eigentlich gehst du durch den Körper hindurch, wie durch eine Flammenwand, und dann fickst du die Seele mit diesem Gefühl des Loslassens, aber auch einem gleichzeitigen Ergreifen, als ob man jemand über einem Abgrund festhalten würde. Solange bis einem das alles nichts mehr ausmacht. Man fickt sich gegenseitig durch ein Meer aus Nebensächlichkeiten, und hält sich mit den Augen aneinander fest, oder macht sie einfach zu, fällt in sich hinein, bis man irgendwie fliegen kann. Scheiße, das ist eine gute Beschreibung.

3 Kommentare zu „Erster Geschlechtsverkehr Ü30

    1. Ich fand das sogar von mir selbst mutig, so selbstverliebt das auch klingt. Das möchte ich als Ausdruck. Mut und Ehrlichkeit. Nicht Schönheit. Und Angst. Weil Angst und Ehrlichkeit, sie einfach zu empfinden, als Teil von sich, oft das Selbe sind. Auch weil Angst sich so ungeschönt ausnimmt.

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