Das geheime Postsystem der Schule funktionierte ziemlich gut. Man brauchte dafür nur einen willigen Sitznachbarn, um die kleinen handwarmen Zettelchen herumzureichen. Man sollte gar nicht glauben, wie verschworen Kinder solche kleinen Dienste aneinander leisteten. Vielleicht weil es sich um eine mikroskopische Rebellion gegen die Aufsicht durch die Erwachsenenwelt handelt, die niemals die Wichtigkeit solcher kleinen Geschäftigkeiten für sich erkennen könnten. Kinder tun dies mit einem Pflichtbewusstsein des Zusammenhalts der kleinsten Teile. Sie wissen um die Wichtigkeit kleiner Geheimnisse. Erkennen ganz bewusst das Flüstern, die kleinen Briefchen und sonstige Heimlichkeiten als den Kern ihrer Gesellschaft. Darum besitzen kindliche Gemeinschaften ein Herz, während die Zusammenschlüsse der Erwachsenen nur versuchen zu funktionieren. Kinder schließen sich instinktiv zu einem einzelnen Organismus zusammen, dessen Gesamtheit die Geheimnisse jedes Einzelnen respektiert. Wir Erwachsenen versuchen immer diese Zusammenwüchse zu trennen und zu zerstreuen, weil wir dieses Gruppenbewusstsein schon lange vergessen haben. Wir stecken nicht mehr in den großen Pausen unsere Köpfe zusammen und sind plötzlich eins. Der Gemeinschaftssinn von Kindern ist anders. Auch sie sind untereinander gehässig und grenzen sich aus, aber unter der Oberfläche lebt das stille Bewusstsein, dass man einander braucht. Kinder gewähren sich gegenseitig einen Vorschuss des Vertrauens. Sie erkennen ihre Gruppenidentität als Schulklasse und halten gegenseitig die Hand übereinander. Sie schützen diese Gemeinschaft instinktiv und befeuern ihren Zusammenhalt mit kleinen Gesten. Eine empfindliche Flamme, bei der jeder Einzelne mit der Aufgabe sie zu beschützen betraut ist. Dafür müssen Kinder sich noch nicht einmal mögen. Sie tun es als ein lebender Verbund, bei dem das Ganze seine Teile nicht immer wählen kann,aber jeder weiß um die Wichtigkeit seines Fortbestands.