Heute bekam ich eine Lektion in Demut. Ich bin da in einem gewissen sozialen Projekt. Alle dort waren immer sehr freundlich zu mir. Jetzt habe ich eine neue Beraterin bekommen. Sie war mir sofort unsympathisch. Alleine schon deswegen, weil sie sehr resolut wirkt. Genau dieser Mensch hat sich heute sehr für mich eingesetzt. Ich weiß nicht auf welchen Knopf sie gedrückt hat, aber ich musste sogar fast weinen. Obwohl ich das eigentlich hasse. Und nein, es muss mir niemand sagen, dass Weinen nicht schlimm ist. Das weiß ich selbst. Danke für die Schulweisheit. Dennoch ist es mir unangenehm und oft ist dieses Verhalten manipulativ. Was ich aber eigentlich sagen wollte, ich finde es ironisch, dass mein Urteil über diese Frau so schnell und falsch war. Wir alle bilden uns viel auf unsere Menschenkenntnis ein. Das funktioniert aber nur, weil viele Menschen ihr Inneres ziemlich laut vor sich her tragen. Ansonsten kann man in einen Menschen eben nicht hineinsehen. Und diese Dame nimmt ihren Job eben ernst. Falsche Freundlichkeit gibt es bei ihr nicht. Vielleicht sind wir uns sogar ein bisschen ähnlich. Gerade ich sollte solche Menschen mehr schätzen. Die Menschen, die einem das Patschehändchen halten und dabei Bubu machen, meinen es nicht immer am Besten mit einem. Und jene die dich konfrontieren, haben oft sehr noble Absichten. Ich bin dankbar, dass man mir das wieder einmal in Erinnerung gerufen hat. Mir hat auf jeden Fall ihr verschlucktes Lächeln gefallen, als ich ihr sagte, dass ich keine Samthandschuhe oder eine Sonderbehandlung möchte. Ich glaube wir sind uns nicht so unähnlich. Es haben auf jeden Fall wenige Menschen so schnell meine Sensibilität erkannt. Und jetzt erkenne ich auch die Ihre. Unsere Urteile gelten niemals einem Menschen, sondern immer dem, was dieser Mensch uns gerade bereit ist von sich zu zeigen.